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Erstellt von Admin am Dienstag, April 29, 2008 @ 11:46:52:

Liebe LeserInnen des 7 Generationen - Newsletters,


Ich bin recht beeindruckt, wie von einigen langjährigen, amerikanischen AA-Mitgliedern auf folgendem Link, wo man die MP3 Tondokumente herunterladen kann, beschrieben wird, dass sie herausgefunden haben, dass ihr eigentliches Problem nicht der Alkohol sondern ihr Ego, ihr "mind-made false sense of self" ist, mit dem sie ihr Leben auf Eigen-wille und Will-Kür aufbauten und im Grunde sowas wie "Gott spielen wollten". Der Alkohol brachte sie an den Punkt, an dem sie erkennen mußten (wenn sie weiter leben wollten), dass ihnen einfach nicht genügend "Power" (Kraft) zur Verfügung stand und sie eine Kraft finden mußten, die ihnen dazu verhalf, nicht nur vom Alkohol sondern auch von ihrer egozentrischen Lebenseinstellung loszukommen.

Liegt nicht hinter dem Kapitalismus exakt dasselbe Problem: ein Ego-Kult der Will-Kür, des eigenmächtigen Willens, der "wie ein Tornado im eigenen Leben und der Menschen um uns eine Spur der Verwüstung hinterläßt" (zitiert aus Blaues Buch der Anonymen Alkoholiker). Wenn wir sehen (wer sehen will), wie kaputt unsere Welt schon ist, bleibt uns vielleicht ebenso wie diesen Alkoholikern keine andere Wahl, als das "Gott spielen" aufzugeben und stattdessen "Gott zu suchen". Als Intellektueller, als der ich mich verstehe, habe ich gewisse innere Widerstände, das Wort "Gott" überhaupt in den Mund zu nehmen. Und es lohnt sich wirklich, diese Speaker anzuhören (wenn man/frau einigermaßen Englisch versteht). Ein so praxisbezogener Zugang zu Spiritualität und so authentisch und berührend ist mir bisher noch nicht begegnet. Ich empfehle, deren "Gott-begriffe" einfach in der für sich selbst passenden Form zu übersetzen:
http://www.xa-speakers.org/pafiledb.php?action=category&id=20&start=0&sortby=name

Dominante Menschen, Menschen an der Spitze, Menschen, die in der Lage sind oder scheinen, ihren "Willen durchzusetzen" und sich so "selbst" zu verwirklichen, Menschen, die "Gott spielen", über Leben und Tod anderer entscheiden, machen sich dazu und werden dazu gemacht, Maßstab für alle übrigen zu sein.(siehe dazu die Arbeit von Genevieve Vaughan in ihrem Buch: "For-Giving" ). Auch äußerlich nicht dominante Menschen tragen dieses System "co-abhängig" wesentlich mit. Überhaupt möchte ich an dieser Stelle wieder einmal die Arbeit von Genevieve besonders in Erinnerung rufen. Ich habe bei ihr bisher die tiefgehendste Auseinandersetzung (mit der scharfsinnigsten Gender-Perspektive, die ich kenne) mit dem Phänomen des Kapitalismus gefunden und ich freue mich sehr, dass sie heuer wieder bei unserem Symposium ist. http://www.gift-economy.com/index.html

Kapitalismus ist für Genevieve (ich sehe es auch so) nur die aktuelle Ausprägung dieses Systems, das sie ( und andere) als Patriarchat bezeichnet, das bis auf die Anfänge der sogenannten "Hochkulturen" vor 2-4000 Jahren zurückgeht und schon eine Vielfalt von Verwandlungen erfuhr.

Hört man so manche Berichte aus indigenen Kulturen und alte Texte aus der europäischen Antike, manche Forschungsergebnisse über matriarchale Kulturen so läßt sich vermuten, dass es vor unseren "Hochkulturen" vielleicht tatsächlich ein altes "Goldenes Zeitalter" gab, wo es diese Art von "Ego- und Dominanzsystem" nicht gab.

Eine Ahnung steigt in mir auf:
Es ist eine allenfalls aufgebaute Arroganz gegenüber religiösen Zugängen als solche (vielleicht auch gegenüber der Religion der eigenen Kindheit) genauso wie gegenüber anderen Zugängen abzubauen und der scheinbar in uns selbst oft verschüttetete Kern wieder auszugraben. Es ist vielleicht mit dem Kapitalismus so wie mit dem Alkoholismus (wie die AA ihn verstehen) umzugehen: Er ist stärker als "menschliche" Macht. Wir können uns nicht aus eigener Kraft befreien. Wir müssen kapitulieren,(1. Schritt) "zum Glauben kommen, dass eine Kraft, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wieder geben kann (2. Schritt) und dann mit all unserer Kraft uns mit dieser "Kraft, größer als wir selbst" verbinden. Siehe dritter Schritt der AA: "Wir faßten den Entschluß, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes, wie wir ihn verstanden, anzuvertrauen".
Eine innere (seelische) Inventur von eigenem Groll, Ängsten und von Verletzungen in sexuellen u.a. Beziehungen zu machen (4. Schritt), einem wohlwollenden Menschen das Ergebnis dieser Inventur mitteilen (5. Schritt), die Änderungen, die anstehen wieder dieser "größeren Macht" zutrauen (6. Schritt), und ihr definitiv anvertrauen (7. Schritt), eine Liste machen, bei wem was wiedergutzumachen ist (8. Schritt) und dies dann auch tun (9. Schritt), dieses Schritte 4-9 zur laufenden Alltagsroutine machen (10.Schritt), eine bewußte regelmäßige Verbindung zu dieser größeren Kraft, etc. ..... im Alltag zu pflegen und seine Lebensentscheidungen damit zu treffen (11. Schritt) und schließlich für andere, die sie haben wollen, unentgeltlich die eigenen Erfahrungen und Zeit zur Verfügung stellen und Gemeinschaft zu pflegen (12. Schritt).

Vielleicht müssen diese Schritte, die in einer Sprache aus dem amerikanischen christlichen Milieu der 30 er Jahre formuliert wurden, in eine neuere Sprache übersetzt werden, für diesen Weg der Transformation unseres "Egos", zu dem nicht nur Selbstbezogenheit sondern auch alle Ängste gehören, sind sie eine wirklich präzise Vorgabe, präzise genug, um für den Umgang mit Kapitalismussüchtigen und den dazu Co-abhängigen geeignet zu sein. Ohne eine solche Transformation werden wahrscheinlich auch all die (wir Engagierten?) Kapitalismus-Co-abhängigen, die ja selber nicht "trinken", die ja wissen, wie es gehen würde, nur die "bösen Kapitalisten" machen halt einfach nicht mit, mit ihrem Latein bald am Ende sein.

Gemeinschaften, in denen jedes Leben als etwas unendlich Kostbares wahrgenommen wird, dürften ohne eine solche Ego-Transformation nicht auskommen. So formulierte es einer dieser AA-Speaker: 2 possibilities: To play God or to seek God - 2 Möglichkeiten: "Gott spielen" oder "Gott suchen" .

Nun aber Schluß mit den vielen gescheiten Reden!!!! Würde mich freuen, beim Symposium viel von konkreten Erfahrungen zu hören.

mit freundlichen Grüßen

Markus Distelberger


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