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Mediation als Chance -
Mit Mediation Konflikte lösen, lernen und wachsen
von Dr. Markus Distelberger
Konflikte
gibt es bekanntlich sehr viele auf den verschiedenen Ebenen und
in den unterschiedlichsten Beziehungen: in aufrechten Ehen oder
solchen, die in Trennung sind, in Familien, in Nachbarschaften,
Institutionen, Vereinen, in Schule, Wirtschaft und Politik.
Nach meinen Eindruck erleben viele Menschen Konflikte negativ und
möchten möglichst nichts damit zu tun haben. Vielleicht
kommt das daher, daß wir wenig Erfahrungen haben, wie Konflikte
befriedigend, in Würde, Stärke, kreativ und konstruktiv
gelöst werden können. Häufig sehen wir destruktive
Konfliktmuster wie Machtkämpfe, Gewalt, Aussitzen, Ignorieren,
Verdrängen, fruchtloses Diskutieren, Auf-die-lange-Bank-schieben,
Resignieren u. Ä. Auch die Konfliktlösung mit Hilfe des
Rechtssystems führt oft zu keinem wirklich befriedigenden Ergebnis.
Mediation
eröffnet für den Umgang mit Konflikten ganz neue Perspektiven:
Da setzen sich Konfliktparteien freiwillig mit einem oder mehreren
MediatorInnen zusammen, um eine Lösung auszuarbeiten. Die/Der
MediatorIn ist neutral, allparteilich und zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Sie/Er schafft Sicherheit durch eine klare Struktur ihrer/seiner
Gesprächsleitung indem sie/er auf Fairness in der Kommunikation
achtet und Vertrauensbildung unterstützt. Sie/Er leitet das
Mediationsverfahren und geht mit den Konfliktpartnern meistens durch
5 Phasen :
- Abschluß des Mediationsvertrages
- Festlegung der Konfliktthemen
- Verständnis aufbauen und Sichtweisen
erweitern indem von den Konfliktpositionen zu den dahinterstehenden
Lebensinteressen zurückgeführt wird
- Lösungsvorschläge finden
und verhandeln
- Lösung vereinbaren
Die/Der
MediatorIn könnte in ihrer/seiner Tätigkeit bildlich mit
einer/m guten GastwirtIn verglichen werden. Sie/Er heißt ihre/seine
Gäste in ihrem/seinem Haus willkommen. Sie/Er erklärt
ihnen die Hausordnung, die im „Mediationshaus“ einzuhalten
ist, damit alle Gäste sich wohlfühlen können. Sie/Er
wendet sich jedem Gast mit ihrer/seiner ganzen Aufmerksamkeit zu.
In ihrer/seiner Position als unbeteiligte/r und neutrale/r Dritte
kann sie/er unbelastet zuhören und verstehen. Sie/Er fragt
jeden Konfliktpartner so lange, bis sie/er seine Sichtweisen und
Interessen wirklich voll, nämlich intellektuell und emotional
verstanden hat. Da während diesem Prozeß des Zuhörens
und Nachfragens immer alle Konfliktpartner gleichzeitig anwesend
sind, wird auch zwischen den KonfliktpartnerInnen Verständnis
aufgebaut und erweitert. Sie beginnen neue Sichtweisen zu entwickeln
und neue Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Auch wächst
dabei die Bereitschaft, die eigenen Anteile am Konflikt zu sehen.
Dies ist aber ein Prozess, der nicht mechanistisch wie eine Maschine
funktioniert, sondern wie ein Lebensprozess, wie z.B. das Keimen
und Wachsen eines Baumes aus einem kleinen Samen heraus. Die/Der
MediatorIn ist vielleicht auch wie ein BiogärtnerIn, der das
Wachstum von Pflanzen fördert, indem er das Bodenleben unterstützt
oder schützt. So wird sie/er deutlich aufmerksam machen, wenn
z.B. Säure in den Boden des Mediationsprozesses gegossen wird.
Da Konfliktpartner erfahrungsgemäß ihre Wahrnehmung stark
eingeschränkt haben, bemerken sie solches oft nicht. Geradezu
charakteristisch für die meisten Konflikte ist es, daß
jeder Konfliktpartner vom anderen erwartet, daß dieser seine
Fehler erkennen und sich ändern möge. Selbst fühlt
er sich als Opfer des Anderen. Er hat eine fixe Vorstellung, eine
sogenannte Konfliktposition, wie der Konflikt zu lösen ist,
nämlich indem der Andere sein falsches Verhalten ändert.
Wenn sich Konfliktpartner zur Mediation entschließen, haben
sie schon einen ersten Schritt gemacht, von starren Positionen herunterzusteigen,
indem sie sich an eine dritte Person um Hilfe wenden, die von vorn
herein deklariert hat, allparteilich zu sein, was bedeutet, daß
sie auch für die andere Konfliktpartei volles Verständnis
aufbringen will.
Der Weg zu neuen Lösungen und Vereinbarungen führt dazu,
mehr über sich selbst, über den anderen und die Beziehung
zu lernen.
Ich habe mit meiner Frau, Margarete Distelberger, mit welcher gemeinsam
ich die meisten Mediationen leite, begonnen, bei Mediationen noch
weitere Menschen, auch andere Konfliktpaare einzuladen, die einfach
als Begleiter dabei sind, ohne selbst vom Konflikt betroffen zu
sein. Dadurch entsteht eine Art Mediationsgemeinschaft. Die bisherigen
Erfahrungen mit dieser Art zeigen uns, daß die Konfliktpartner
leichter lernen, wenn sie sehen, daß ihre eigene emotionale
Verstrickung überhaupt nichts einzigartiges sondern eine weitverbreitete
Erfahrung ist. Während wir als MediatorInnen uns auf der äußeren
Ebene mit sachlichen Konfliktthemen befassen, sind wir gleichzeitig
sehr auf Gefühlsbewegungen aufmerksam und geben auch Raum,
damit die Beteiligten diese auch zeigen können. Wir wissen,
daß wir die Lösungen nicht von außen steuern oder
gar machen können, denn die eigentliche Lösungsarbeit
erledigen die inneren gefühlsmäßigen Prozesse. Wenn
der/die MediatorIn sich von der Managerrolle verabschiedet, sich
auch als Werkzeug eines größeren Prozesses versteht,
sich auch vom Prozess der Beziehung der Mediationspartner und der
Mediationsgemeinschaft leiten läßt, erleichtert es auch
ihr/ihm die Arbeit und führt zum Staunen über die Wunder
des Lebens, wenn zum Beispiel Menschen sich auf einer tieferen Ebene
zu verstehen anfangen.
Als eine elementare Aufgabe der/des Mediatorin/Mediators sehe ich
es, darauf aufmerksam zu machen, daß die Gefühle DER
Ausdruck von Lebendigkeit eines Menschen sind, daß diese ihre
eigenen Quellen im Inneren haben und nicht durch andere (Konfliktpartner)
erzeugt, sondern nur ausgelöst werden, so wie Wind und Wetter
Empfindungen auslösen. Eine der größten Konfliktfallen
ist für mich vor allem, daß ich mich besser fühlen
würde, wenn der/die andere sich ändern würde. So
kann eine neue Verbindung zwischen Menschen wachsen und reifen,
wenn sie ihre emotionale Unabhängigkeit stärken, indem
sie ihrem eigenen, tiefen, oft mit vielfältigen Gefühlen
verbundenen Prozeß vertrauen. Das Schöne an der Mediatonsarbeit
ist, daß anhand des praktischen unmittelbar lebensrelevanten
Konfliktstoffes sehr gut ein Fortschritt in der Beziehung zwischen
den Konfliktpartnern äußerlich sichtbar wird.
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